Duftstoffanalysen an Orchideen im Regenwald Costa Ricas
Mag. pharm. Dr. Robert Müntz publizierte in der "Homöopathie in Österreich" Herbst 2023 Ausgabe der ÖGHM - Österreichische Gesellschaft für Homöopathische Medizin
Vor 40 Jahren führte mich Abenteuerlust an den Amazonas, wo mich das Virus befiel, in den folgenden Jahrzehnten immer wieder verschiedene Regenwälder zu besuchen. Viele Jahre später wurde ich sesshaft und fand einen Platz im Zentralmassiv Costa Ricas, für dessen Schutz und Erhalt ich mich seither einsetze.
Ich gründete das „Reserva Biologica Guaitil SA“ zum Schutz der Ökologie auf privater Basis: Es besteht aus 80 % Primärwald in einer Höhenlage von 800 bis 1800 Metern und grenzt in einem Talschluss an den Nationalpark Tapanti. Das verbleibende Areal als ehemaliges Weideland habe ich im Laufe der letzten 10 Jahre durch 1800 Jungbäume wieder aufgeforstet und bald bemerkte man diesen Schritt an der Fauna-Entwicklung. Kapuzineraffen und Brüllaffen, die früher bejagt wurden, zogen wieder in das Areal zurück und Wildkameras zeugen von einer vitalen Population an Großkatzen wie Ozelot und Puma.
Ich durfte aber auch feststellen, dass das 200 ha große Gebiet einen großen Orchideenbestand aufweist. Mit jedem Besuch entdeckte ich neue Arten und dies brachte mich zum Entschluss, zwei meiner Leidenschaften miteinander zu verbinden: Das Bewandern von Waldgebieten mit dem Sammeln von herabgefallenen Epiphyten, um sie in der Nähe der Basisstation aufzubinden und der Analytik Arbeit im Labor der Reference Analytics GmbH in Eisenstadt. Ich immatrikulierte an der größten Pharmazeutischen Fakultät in Deutschland - an der Philipps Universität Marburg/Lahn und stellte mir als Spätberufener die Aufgabe, eine wissenschaftliche Arbeit zum Thema der Düfte von Orchideen dieses Gebietes zu schreiben.
Beeindruckende Diversität
Die Vielfalt in der Familie der Orchideen ist morphologisch bemerkenswert, die fast ubiquitär verbreitete Familie fällt mit einer unglaublichen Variabilität im Blütenbau auf, wobei der Aufbau der Orchideenblüte eng verwandt mit jenem der Liliengewächse ist. Gleichzeitig ist sie auch eine phylogenetisch junge Familie, die eine auffallend hohe Diversität hinsichtlich Evolution bzw. Koevolution mit ihren Bestäubern durchlaufen hat. Aktuell zählt man 30.000 bis 35.000 verschiedene Arten, davon sind 1800 in Costa Rica anzutreffen.
Analytik
Meine Herangehensweise zu Beginn der Dissertation bestand zunächst darin, ein Duftsammelgerät zu entwickeln, mit dem es möglich war, einerseits in Freilandversuchen Düfte zu sammeln, ohne dabei die intensive Waldluft mit aufzunehmen. Andererseits fand ich eine Fülle von Miniaturorchideen vor, deren Duft mit der Nase nicht wahrnehmbar ist. Bei denen stellte auch das rein apparative Sammeln der Düfte eine Herausforderung dar. Die bisher praktizierte Methode der Sammlung mittels Erlenmeyerkolben, Solid Phase Micro Extraction (SPME) und der GC/MS Analyse erwies sich im Freiland als nicht einsetzbar.
Ich setzte mit gutem Erfolg die äußerst empfindlichen und zugleich einfach anzuwendenden Carbonadsorbentien „MonoTrap®“ RGC18TD (Artikel NR 105-74201) der Firma GL-Science ein. Diese wurden nach der Beprobung in einem Headspace-Fläschchen nach Österreich versendet und in unserem Labor der Reference Analytics GmbH analysiert (Doppelreiter, 2023).
Pflanzliche Duftstoffe
Die Duftstoffe (Volatile Organic Compound, VOC) zählen zu den sekundären Metaboliten von Pflanzen, welche in vier chemische Gruppen eingeteilt werden, es sind die Phenole, Alkaloide, Flavonoide und Terpenoide. Sie üben zahlreiche, für den Erhalt der Spezies wichtige Funktionen aus. Die Gruppe der Terpen-Duftstoffe ist dabei mit 800.000 Stoffen die weitaus größte.
Sie alle sind Teil des Kommunikationsweges, den die Pflanze mit der Umgebung aufrecht hält. Die VOC sind flüchtige Botenstoffe, die von der Pflanze ausgeströmt werden, allen voran die Volatile Terpenoids (VT). Sie prägen den Geruch der Pflanzen und sind so die wichtigste Möglichkeit, mit der Umwelt in Wechselwirkung zu treten.
Terpenoide sind die größte Gruppe sekundärer Metaboliten des Pflanzenreichs, sie haben vielfältige Strukturen und werden vom Grundgerüst der Mevalonsäure und in der Folge des Isoprens bzw. 2-Methyl-1,4,-butadien (C5-Baustein) abgeleitet.
Etwa 75% aller Orchideen haben einen Duft bzw. verbreiten bei Normaltemperatur flüchtige Stoffe, die für den Menschen geruchlos erscheinen, jedoch die Pollinatoren anzulocken vermögen. Diese Stoffe werden in geringsten Mengen in den Duftstoffdrüsen (Osmophore) gebildet und gespeichert und werden zu bestimmten Zeiten freigegeben.
Als Speicherform liegen Terpenoide in den Osmophoren glycosidisch gebunden vor und können im Bedarfsfall (Stress, mechanische Verletzung, Anlockung von Bestäubern und Verbreitung der Samen) durch hydrolytische Spaltung aktiviert und freigesetzt werden (Boncan, et al., 2020).
Die Substanzen selbst wären für die Pflanze toxisch, sie sind in Speicherzellen in Blatt, Blüte und Wurzel zu finden. Die Lippe ist als Landeplatz für die Bestäuberinsekten meist der am intensivsten duftende Bereich der Orchideen, den stärksten Geruch verbreiten Vertreter von Catasetum und Gongora.
Die Intensität des Verströmens von Duft ist von verschiedensten Faktoren abhängig:
- Wird beispielsweise die Catasetum-Blüte mit Pollen bestäubt, setzt die Geruchsentwicklung für einige Stunden aus, um offenbar die gesamte Energie der erfolgreichen Befruchtung zu widmen.
- Orchideen mit braunen Blüten besitzen häufig einen an Aas erinnernden Geruch, da sie Aasfliegen als natürlichen Bestäuber haben. Diese an verrottetes Fleisch erinnernde Blütenfarbe gepaart mit dem Geruch an Aas zieht ihre Pollinator-Insekten an, und diese transportieren in der Folge die Pollensäcke.
- Üblicherweise duften Orchideen nur zu bestimmten Tageszeiten, was mit der Aktivität ihrer spezifischen Befruchter einhergeht. Es kann sich auch im circadianen Lauf der Geruch verändern, wie beispielsweise bei Clowesia rosea: Ihr Geruch erinnert am Morgen an eine Brustsalbe, wohingegen sie am späteren Tag nach Zimt duftet(De L.C, 2014).
- Ein Forscherteam untersuchte in Ecuador die Attraktivität von künstlichen Blüten der Spezies Dracula lafleurii, die mit Hilfe eines 3D-Druckers hergestellt und bemalt wurden. Dabei imitierte die Lippe einen Pilz, der ausschließlich von bestimmten Fliegen besucht wurde. Das Interesse der Bestäuberinsekten war dreimal so groß, wenn die Blüte auch den zuvor aufgebrachten Duft von Dracula lafleurii Man stellte auch fest, dass mittels Farbstiftes gepunktete Sepalen offenbar die Anwesenheit von weiteren Fliegen vortäuschte, was die Attraktivität eines Besuchs noch erhöhte (Policha, 2019).
Aufgabenstellung
Zentrale Aufgabe war die Ermittlung der Duftstoffzusammensetzung von Orchideen Guaitils, insbesondere von Miniaturorchideen, die bisher keine Bewertung gefunden hat. Weiters stellte ich mir der Frage, ob es bei den VOC-Verteilungsmustern dieses Gebietes Parallelen oder sich wiederholende Muster gibt, die von chemotaxonomischer Bedeutung sind.
Die Frage nach deren Bestäubern wurde hier bewusst ausgeklammert, dies hätte die Durchführbarkeit dieser Feldstudie überstiegen.
Der Duft ist neben der Blütenform und Farbe selektives Lockmittel für Bestäuber, er hat also eine für den Fortbestand einer Spezies wesentliche Bedeutung.
Als Kernaufgabe sah ich die Prüfung mittels valider Methoden, ob es Kongruenzen im phylogenetischen Baum gibt, mit anderen Worten: Ob sich innerhalb des Orchideen Duftgeschehens Verwandtschaften abzeichnen und der Duft eine Möglichkeit der taxonomischen Zuordnung darstellt.
Die Fülle von Messdaten wurde vor Auswertung einer Validitätsprüfung unterzogen, über 3000 Messwerte in chemische Klassen geordnet, Chromatogramme, Spektren, GPS-Werte, chemische Formeln und Zeitpunkte der Messungen zugeordnet sowie Bildmaterial verknüpft. Die Analysen der VOC-Gemische von Orchideen und der Waldluft wurden mit JMP® 16.1.0 der Firma SAS durchgeführt und in zahlreichen Grafiken visualisiert.
Der erste Schritt war die grobe Sichtung der Ergebnisse auf eventuelle Ähnlichkeiten der VOC-Muster innerhalb der 55 vorgefundenen Gattungen.
- Im zweiten Schritt wurden durch Gegenüberstellung der Counts innerhalb gleicher Gattungen auf chemische Ordnungen analysiert.
- Schließlich wurde im dritten Schritt durch zahlreiche Mehrfachtestungen innerhalb 133 verschiedener Arten auf Parallelen geprüft.
Von großer Bedeutung für die finale Aussage waren jene Messungen, die an einer Art mehrmals zu unterschiedlichen Jahreszeiten durchgeführt wurden. Untermauert wurde das Ergebnis dieser vier Jahre dauernden Arbeit durch die Analyse der VOCs einer Art, die zu unterschiedlichen Tageszeiten ermittelt wurden und schließlich wurde an einem Tag zur gleichen Uhrzeit der Duft einer Art an unterschiedlichen Standorten gemessen.
Beispiel an Ticoglossum krameri
Bei dieser Spezies mit vorerst subjektiv kaum wahrnehmbarem Duft wurde im 2 Stunden Intervall über 24 Stunden Duft gesammelt, es konnten 19 Terpene im Spektrum nachgewiesen werden. Hier finden sich mit alpha-Copaen und beta-Funebren zwei fast ganztägig messbare Komponenten, alle übrigen verteilen sich auf die Nachtzeit bis 8 h in den Morgen. Tagsüber gibt es kaum feststellbare Duftstoffe, die Duftkonzentration steigt wieder ab 22 h an. Hier trifft die Faustregel zu, dass weißblühende Arten nachts einen Duft verströmen.
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Die eingangs gestellte Frage nach Kongruenzen zwischen Duftmustern und dem phylogenetischen Baum konnte ich negativ beantworten, da die Ergebnisse zwar valides Datenmaterial darstellen, dieses aber keine übergeordnete Regelmäßigkeit aufweist. Somit legt die vorliegende Duftstoffanalyse an 55 verschiedenen Orchideengattungen und 133 Arten den Schluss nahe, dass eine chemotaxonomische Einordnung von Orchideen anhand ihrer VOCs nicht möglich ist (Müntz, 2023).
Im Verlauf dieser Untersuchung durfte ich eine bisher weltweit unbekannte Art aus der Gattung Stellilabium entdecken. Das Institut der Universität Costa Rica – Lankester Garden schlägt den Namen Stellilabium muntzii vor.
Stellilabium muntzii benannt nach Robert Müntz.
Literaturverweise
Boncan, D., Tsang, S., Li, C., Lee, I., Lam, H.-M., Chan, T.-F., & Hui, J. (2020). Terpenes and Terpenoids in Plants: Interactions with Environment and Insects. (S. Licensee MDP Basel, Hrsg.) International Journal of Molecular Sciences, 21/7382, S. 1-19.
De L.C, R. P. (2014). Medicinal and Aromatic Orchids. (L. Chandra, Hrsg.) by-nc-nd, S. 242-249.
Doppelreiter, A. (6. 6 2023). Reference Analytics - Massgeschneiderte Lösungen für jede analytische Herausforderung. Abgerufen am 6. 6 2023 von https://reference-analytics.com/
Müntz, R. (2023). Charakterisierung der Orchideendüfte im Gebiet von Reservea Biologica Guaitil, S.A., Costa Rica. Marburg/Lahn: Phillips Universität Marburg.
Policha, T. (2019). Dracula orchid flowers mimic mushrooms to attract flies. New Scientist(10).