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Arzneimittelwirkung Uebertragbar

Die Technik des Graftens -
Übertragung von Arzneimittelwirkungen
remedia-globuli-abfuellen.jpg

von Robert Müntz

Anlässlich des Seminars in Ankaran (Slowenien) mit Julian Winston wurde ich im Gespräch mit Herrn Dr. Peter Andersch auf eine interessante Tatsache aufmerksam gemacht, die mir als Hersteller bislang unbekannt war. Es handelt sich dabei um eine Veröffentlichung von Herrn Korsakoff aus dem Jahre 1832 zur Übertragung von Arzneiwirkungen auf unarzneiliche Materie.
Dies scheint zunächst nicht so außergewöhnlich zu sein, zumal der uns bekannte Potenziervorgang, also das immer wieder aufeinanderfolgende Verdünnen und Verschütteln/Verreiben ja nichts anderes in sich birgt. Arznei wird in fester oder flüssiger Form auf einen Arzneiträger (Wasser, Alkohol, Laktose) aufgebracht und so deren Arzneikraft übertragen.

Neu war für mich aber - und das findet man interessanterweise auch in keinem homöopathischen Arzneibuch erwähnt - die unten beschriebene Methode der Übertragung der "trockenen" Übertragung von Arzneiwirkung auf Neutralglobuli. An Bedeutung gewinnt dieser Bericht umso mehr, da selbst Hahnemann diese Methode als geeignet bezeichnete, Arzneien anzufertigen (...volle und gleiche Arzneikraft, als selbst es besitzt, zuwege bringt, ohne selbst Kraft-Abnahme zu erleiden).

In diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, dass die Methode des "Graftens" von Arzneien im anglikanischen Sprachraum des öfteren anzutreffen ist, diese jedoch nicht von Herstellern sondern nur von Therapeuten angewendet wird. Es handelt sich dabei im wesentlichen darum, einen Arzneiglobulus in Alkohol zu lösen und diese Flüssigkeit zum Imprägnieren einer bestimmten Menge Neutralkügelchen zu verwenden. Dabei schreibt man den neu entstandenen Kügelchen die selbe Potenzstufe zu wie jener der Ausgangsarznei.

Problematisch ist dieses Vorgangsweise des "Selbst Potenzierens" insofern, als sie keiner Standardisierung durch eine Pharmacocpoe unterliegt und daher die Ergebnisse höchst unterschiedlich sein müssen.
Ich halte es daher als Hersteller nur in seltenen Ausnahmesituationen für zulässig, die feuchte Form des "Graftens" oder die trockene Methode (s. unten) für die Arzneiherstellung anzuwenden.

Gerechtfertigt erscheint mir dies lediglich in Fällen zu sein, in denen kostbare historische Arzneien kopiert werden sollen, die auf den ursprünglichen Erzeuger zurückgehen und die heute nicht mehr angefertigt werden können (z.B. Tarantula cubensis). Natürlich ist eine entsprechende Arbeitsvorschrift als Hausmonographie zu erarbeiten und als Grundlage für diese spezielle Methode festzulegen.

Bei einer magistralen Zubereitung dieser Art gehen wir in unserem Labor folgender maßen vor:
2 Globuli der historischen Arznei werden in einem Wassertropfen gelöst. Dieser wird in 10ml 86% Ethanol aufgenommen, das 10 malige Schlagen entfällt, das es sich um keinen Potenziervorgang handelt. Von dieser Imprägnierlösung werden 4 Tropfen auf 10 Gramm der Globuli Größe 1 HAB 2003 (= 5500 Stück) aufgebracht und an der Luft getrocknet.
Diese werden mit dem Namen der Originalarznei, deren Potenz und dem Suffix "1st Graft" gekennzeichnet.

Als Bestätigung der Wirksamkeit solcher Art hergestellten (kopierten) Arzneien weise ich auch auf den Erfahrungsbericht von André Saine hin, eine Fallbeschreibung mit Dunham-Arzneien, die durch "Graften" angefertigt wurden. 2)

 

Erfahrungen über die Fortpflanzung der Wirksamkeit homöopathischer Arzneien, nebst einigen Ideen über die Art und Weise, wie dieselbe vor sich geht.

Vom Herrn von Korsakoff 1)
(Aus dem Französischen des Originals)

1. In einem jüngst mitgetheilten Berichte, habe ich ein sicheres und leichtes Verfahren, die homöopathischen Verdünnungen zu einem bisher unerhörtem Grade zu bringen, beschrieben; ich berührte dabei kürzliche die Wirkungen, welche ich von der 1000 (millieme attenuation centesimale) des Schwefels und der 150. des Merkurs beobachtet hatte.

2. Seit dieser Zeit bin ich fortgefahren, den Schwefel bis zur 1500sten Verdünnung (1500me attenuation centesimale) zu bringen, und habe immer gefunden, daß seine Arzneikraft, weit entfernt sich zu vermindern, immer sichtbarer wohlthätig auf die Kranken einwirkt.

3. Ich hatte bisher, um die ersten 1000 Verdünnungen herzustellen, Schneewasser angewendet; zu Bereitung der folgenden 500 bediente ich mich des gewöhnlichen Quellwassers, ohne Beeinträchtigung des Erfolges der Operation.
Und doch würden wir jedenfalls nur das chemisch reinste Wasser zu Versuchen dieser Art anzuwenden dringend rathen, da dies mannichfachen mineralischen Beimischungen, von denen kein Quellwasser mehr oder weniger frei ist, wohl keineswegs hiebei gleichgültig und ohne wesentlichen Einfluß auf die Beschaffenheit des Präparates bleiben können. Selbst Schneewasser würden wir nicht ganz unbedenklich finden, wiewohl es immer um vieles reiner sein mag, als jenes Quellwasser. Am sichersten ist die Anwendung des in völlig reinen gläsernen Gefäßen bereiteten destillierten Wassers oder des Regenwassers. Letzteres verschafft man sich am besten, indem man an einem offenen, freien, ruhigen Ort ein großes porzellanenes Gefäß, wenn es, bei reiner Luft, schon eine Viertelstunde lang geregnet hat und noch fortregnet, hinstellt und so das Wasser auffängt, was dann in wohl verschlossenen Flaschen im Dunkeln und Kalten lange aufbewahrt werden kann, ohne zu verderben.

4. Obgleich schon das von mir angewendete Verfahren, diese höchsten Verdünnungen darzustellen, keinen Zweifel an der Realität derselben übrig läßt, so sträubt sich doch der Verstand, an die Möglichkeit so ungeheurer kleiner Bruchtheile zu glauben, was mich zu neuen Versuchen veranlaßte, um aufs vollständige mich zu versichern, daß nicht die geringste Täuschung dabei obwalte.

5. Ich habe zu viel gültige Beweise, um noch daran zweifeln zu können, daß eine 1500mal wiederholte Verdünnung ein Produkt gebe, welches die arzneilichen Eigenschaften der unverdünnten Substanz in einem fast noch vollkommeneren Grade besitze; aber konnte ich mich nicht etwa täuschen über die Art der Mittheilung jener Eigenschaften? Ich betrachtete sie als eine wahrhafte materielle Theilung; das konnte nur eine Fortpflanzung durch Ansteckung sein, oder selbst eine Art generation moleculaire, und sogleich war die Frage ganz anders gestellt. Was im ersten Falle absurd und aller Vernunft entgegen gesetzt erschien, gewann, so angesehen, eine Wahrscheinlichkeit, bestätigt durch zahlreiche, täglich in der Natur beobachtete Thatsachen, deren Realität weder ein Mathematiker noch ein Physiker bestreiten wird.

6. Um mich von der Wahrheit der einen oder der andern jener Annahmen zu versichern, machte ich Erfahrungen, die ich unverzüglich mittheilen werde, und welche mich zu Resultate geführt haben, die zu erwarten ich weit entfernt war.

7. Ich nahm ein einziges, trockenes, mit der hundertfachen Verdünnung des Schwefels befeuchtetes Streukügelchen, schüttete es in ein kleines Glas, welches bereits tausend einfache, unarzneiliche Streukügelchen enthielt, und nachdem ich das Gläschen mit seinem Stöpfel wohl verschlossen hatte, schüttelte ich es während einer Minute stark. Ich ließ psorische Kranke an dieses Gläschen riechen, und alle empfanden ganz deutlich die entschiedenen Schwefelwirkungen.

8. Andern geeigneten Kranken gab ich innerlich ein einziges von diesen Streukügelchen und alle empfanden die wohlthätigen Wirkungen jener hoher Schwefelverdünnung.

9. In ein andres Gläschen voll unarzneilicher Streukügelchen schüttete ich ein einziges Kügelchen mit Schwefel befeuchtet, und nachdem ich es während einer Minute lang stark geschüttelt, ließ ich alles 24 Stunden lang in Ruhe. Nach Verlauf dieser Zeit nahm ich das arzneiliche Kügelchen, welches ich hinein gethan, heraus, was ich, ohne mich zu täuschen, wohl thun konnte, da ein Kügelchen, einmal mit Weingeist befeuchtet, eine eigene opalisierende Farbe bekommt, welche es von jedem andern zu unterscheiden gestattet. - Ich ließ hierauf mehrere Kranke an dieß Gläschen riechen, welches nichts als unbefeuchtete Kügelchen enthielt, die nur während 24 Stunden mit jenem arzneilichen in Berührung gewesen waren; und gab anderen Kranken nur eins von denselben innerlich, und konnte mich aufs unzweideutigste überzeugen, daß alle diese in dem Gläschen enthaltenen Kügelchen die Eigenschaft besaßen, auf den Organismus die Wirkung der Dezillion-Verdünnung des Schwefels hervor zu bringen.

10. Dieselben Versuche stellte ich mit Rheum X., Ignatia X., Mercur X. und mehreren anderen Arzneien an, und erhielt immer dem jedesmaligen Stoffe analoge Erscheinungen.

11. In ein großes Glas, in welchem 13.500 Kügelchen enthalten waren, schüttete ich ein einziges mit Schwefel X. befeuchtetes und getrocknetes Streukügelchen und schüttelte das kaum bis zur Hälfte angefüllte Glas während 5 Minuten. Alle in dem Glas enthaltenen Kügelchen gewannen dadurch, wie durch Ansteckung, die Eigenschaft, auf den Organismus wie Schwefel X. eigenthümlich zu wirken.

12. Ich bereitete mir ein Taschenetuis mit 30 kleinen Gläsern, deren jedes ich zur Hälfte mit unarzneilichen Streukügelchen anfüllte und that darauf hiezu in jedes ein mit einer der gebräuchlichsten Arzneien befeuchtetes Kügelchen. Alle die Arzneien dieser kleinen Apotheke sind äußerst kräftig und entwickeln bei Kranken die einem jeden eigenthümlichen Wirkungen aufs entschiedenste. Ich habe mich seitdem ihrer unzählichemale bedient und versichere mich täglich mehr und mehr von der großen Wirksamkeit derselben.

13. So wäre ich denn so glücklich, den Homöopathen ein neues, eben so leichtes als sicheres Mittel an die Hand gegeben zu haben, die arzneilichen Kräfte fortzupflanzen und nach Bedürfniß zu erneuern.

14. So vorteilhaft nun auch diese Art der Bereitung und Aufbewahrung der Arzneien sein mag, so ist doch zu befürchten, daß durch das Tragen der Gläser in der Tasche unvermeidliche gelinde Reiben der Kügelchen unter sich, die arzneilichen Kräfte derselben allzusehr entwickelt werden, was in machen Fällen nicht wünschenswerth ist. Um dies zu vermeiden, würde es vortheilhaft sein, den Vorschlag zu benutzen, welchen ich in meinem Briefe an Herrn Hofrath Hahnemann (s. Archiv VIII. 2.) mittheilte, in Anwendung zu bringen. Über all dies muß die weiter fortgesetzte Erfahrung entscheiden.

15. Die Möglichkeit, arzneiliche Kräfte einem indifferenten Körper ohne Mitwirkung einer Flüssigkeit, ohne Reiben, ohne innige Mischung, ja ohne materielle Theilung mitzutheilen, ist eine in der Homöopathie neue und für Theorie und Praxis höchst wichtige Thatsache.

16. Die eben mitgetheilten Erfahrungen beweisen, daß die Berührung eines arzneilichen Atoms, unterstützt von einer kurzdauernden Reibung, hinreicht, um einer im Verhältniß ungeheuern Masse indifferenter und trockener Masse alle die Eigenschaften dieses Atoms mitzutheilen. Man kann eine so auffallende Thatsache nur insofern erklären, als man sie als eine arzneiliche Ansteckung (contagion ou infection medicamenteuse) betrachtet, denn in diesem Falle findet nicht einmal der Schein einer materiellen Theilung statt, wie bei den flüssigen Verdünnungen.

17. Es scheint, als ob jene Mittheilung oder Fortpflanzung der Arzneikräfte Schritt vor Schritt (proche en proche) geschehe, d.h. daß bei 14 bis 15 unarzneilichen Streukügelchen, welche sich in unmittelbarer Berührung mit den arzneilichen Kügelchen befinden, sehr schnell die Arzneikraft desselben nicht allein, sondern auch die Eigenschaft gewinnen, sie den übrigen mitzutheilen. Es wäre sonst schwer sich zu erklären, wie die 13.500 unarzneilichen Kügelchen, deren wir oben Nr. 11 gedachten, die Arzneikräfte des Einen ihnen beigemischten arzneilichen Kügelchens in dem kurzen Zeitraume einiger Minuten annehmen konnten.

18. Da nun die Erfahrung unwiderleglich beweist, daß arzneiliche Eigenschaften durch die bloße Berührung an indifferente Körper ohne irgend eine materielle Theilung mitgetheilt werden können, so ist es wohl erlaubt, nicht mehr Zweifel an der Realität so hoher homöopathischer Theilungen zu erheben, d.h. solcher, welche, wie es scheint, in geradem Widerspruche stehen mit den übrigen mathematischen und physischen Wahrheiten.

19. Könnte man nicht viel eher voraussetzen, daß sich die hundertste materielle Verdünnung wirklich nicht wieder fortsetzt, als bis zu dem Grad, wo der Arzneistoff bis zu seinen eigenthümlichen Atomen herab gebracht ist. Diese Zurücksetzung zu den Atomen findet vielleicht schon bei einer materiellen Theilung statt, welche ein Million oder Billiontel eines Grans nicht übersteigt; ein Theilungsgrad, welcher bereits allen chemischen Reagenzien unzugänglich und so unnachweisbar ist.

20. Man kann auch annehmen, daß die arzneilichen Atome, von fremdartigen Theilen befreiet, eine Kraft erlangen, welche sie vorher nie besaßen, denn nach der Ansicht der erleuchtetesten Geister gewinnen ja die Naturkräfte um so mehr Gewalt, entwickeln ihre Eigenthümlichkeiten um so freier, je mehr sie von ihren materiellen Banden befreiet sind. Hahnemann hat bereits die Bemerkung gemacht, daß ursprünglich in Wasser unauflösbare Körper, sich schon bei millionfacher, durch Reiben mit Michzucker bewirkter Verdünnung, in Flüssigkeiten ohne Rückstand auflösten. Es ist ferner hinlänglich bewahrheitet, daß viele ursprünglich indifferente, oder mit nur geringer Wirksamkeit auf den Organismusbegabte Körper, bei einem gewissen Grade der Verdünnung, so gewaltige Kräfte erlangen, daß man bei ihrer homöopathischen Anwendung sehr vorsichtig sein muß. Wir erinnern hier nur an Silicea, Lycopodium, Gold, Kohle, Kochsalz u. w. a., deren Wirksamkeit auf den lebenden Organismus, bei hoher Verdünnung, ganz außer Verhältniß stehen zu der in ihrem gewöhnlichen Zustande.

21. Wenn die Zurückführung der Arzneien zu ihren ursprünglichen Atomen bei einer Theilung stattfindet, welche den millionsten oder billionstel Theil eines Grans nicht übersteigt, wie will man dann die Fortpflanzung ihrer Eigenschaften in den weitern, höhern Verdünnungen anders erklären, als durch Annahme einer neuen Eigenschaft, welche sie dann annehmen, ihre Eigenschaften andern indifferenten Körperchen (molecules inertes) durch Ansteckung oder Contagion mitzutheilen, denn ein Atom kann keiner Theilung mehr fähig sein. Uebrigens unterstützt die Mittheilung der Arzneikraft durch trockene Kügelchen diese Aufnahme und wiederstreitet durchaus der Erklärung jener Thatsache durch wirkliche, materielle Theilung.

22. Pflanzen sich so viele ansteckende Krankheiten nicht auf gleiche Weise fort? Das Pestgift, das Gift der Blattern, der Syphilis, der Psora, ist für unsere Sinne nicht wahrnehmbar. Theilen sie sich nicht durch materielle Gegenstände mit, welche sich in Berührung mit von diesen Krankheiten angesteckte Personen befinden? Ergreifen die Krankheiten des menschlichen Geschlechts die Individuen nicht auf dieses Weise und verbreiten sich mit mehr oder weniger großer Schnelligkeit über die ganze Bevölkerung?

23. Wenn es ausgemacht ist, daß in der Natur ein besonderer Prozeß bestehet, die Krankheitskeime zu vermehren, kann man dann nicht mit einer Wahrscheinlichkeit voraussetzen, daß die Wirksamkeit der homöopathischen Verdünnungen auf demselben Prinzip beruhet, und daß sie nur alle eine glückliche Anwendung desselben zu betrachten sind, zum Wohle der leidenden Menschheit?

24. Man könne noch andere Thatsachen anführen um zu zeigen, daß die Natur oft Bewegung und Reibung anwendet, um den Zustand der Körper zu verändern und neue Eigenschaften darin hervorzubringen. Die Art der Entwicklung des Licht- und Wärmestoffes, der Elektrizität, des mineralischen und animalischen Magnetismus bieten sprechende Beispiele dafür an.

25. Auch die Gährung ist eine Art Fortpflanzung und Entwicklung besonderer Eigenschaften. Jedermann weiß, daß der kleinste Theil eines Ferments unter günstigen Verhältnissen, in einer großen flüssigen Masse eine Bewegung der Grundtheilchen derselben erregt, welche nur mit gänzlicher Vernichtung der Eigenschaften dieser Flüssigkeit endiget.

26. Auch die Befruchtung, Bekeimung und oft die ungeheuere Vermehrung der Individuen der Thier- und Pflanzenreichs könnte uns vielleicht zu Analogien führen mit dem Verfahren, dessen sich die Homöopathie bedient, ihre Arzneikräfte zu entwickeln und fortzupflanzen; aber keine Erklärungsweise scheint so ansprechend zu sein, als die Vergleichung desselben mit der Art und Weise, wie sich die Keime der kontagiösen Krankheiten fortpflanzen, d.h. mit der Ansteckung durch Berührung.

27. Diese Hypothese, gestützt auf neue, leicht zu beglaubigende Erfahrungen und alte, längst bekannte und unbezweifelte Thatsachen, wird den Vortheil haben, die Verfahrungsweise der Homöopathie mit der gesunden Vernunft zu versöhnen, von der sie sich in den Augen vieler Personen zu entfernen schein, welche ihr arith-metische Berechnungen entgegen stellen, und so die Unmöglichkeit einer so weit getriebenen Theilung, deren sich die Homöopathie bedient, beweisen wollen.

28. Nehmen wir die Hypothese an, daß die arzneilichen Atome ihre Eigenschaften durch ein, der Ansteckung ähnliches Verfahren, indifferenten Körpern mittheilen, so wird man auch eine Analogie in der Art und Weise finden, wie die einen und die andern sich verdünnen und schwächen. Die homöopathischen Verdünnungen verlieren in dem Grade ihrer Zunahme, an Intensität ihrer Erstwirkung, und die homöopathische Verschlimmerung wird am Ende kaum mehr wahrnehmbar, während die Reaktion des Organismus oder der Heileffekt der Mittel fortfährt, sich heilsam zu entwickeln. So sind auch die Krankheitsmiasmen bei einer Entstehung von größter Heftigkeit, und verlieren nach und nach immer mehr an Kraft, so daß dann nur wenig Personen und leichter davon affizirt werden. Vielleicht könnten auch scharfe Beobachter bei den Individuen, welche von ungeschwächten Miasmen ergriffen werden, nach ihrer Heilung noch dauernde Reste derselben entdecken, welche mit den Nachwirkungen der homöopathischen Mittel Ähnlichkeit hätten.

29. Indem ich diese Erfahrungen und Ideen hier mittheile, ist es meine Absicht und mein Wunsch, homöopathische und alle aufgeklärten Ärzte zu veranlassen, noch tiefer gehende Untersuchungen über diesen wichtigen Gegenstand anzustellen.

 

Nachschrift des Herrn Hofrath S. Hahnemann

Ich sollte nicht glauben, daß der sorgfältig unterscheidende Herr Graf Korsakoff im §. 21. dieser schönen Abhandlung, die der Homöopathik eigene Theilungen und Potenzirungen schon bei Million- und Billion-Entwickelung für vollendet und keiner weitern Entkörperung und Vergeistigung ihrer arzneilichen Kräfte zu einem immer höhern Grade durch ferneres Reiben der trocknen und durch ferneres Schütteln der flüssigen weitern Verdünnungen - was doch keinem Zweifel unterliegt - fähig halten, oder diese wohl gar für schwächer (§. 28.) ansehn könnte. Wer sagt uns, daß bei Million- und Billion- Entwickelung die kleinen Theilchen der Arzneisubstanz schon zu ferner untheilbaren Atomen (von deren Beschaffenheit wir durchaus keinen Begriff haben) geworden sind? Denn wenn der menschliche, lebende Organism bei den höher potenzirten Verdünnungen, eine immer stärkere Gegenwirkung auf den arzneilichen Gebrauche äußert (wie die Erfahrung lehrt und der Herr Verf. selbst im §.28. zugiebt), so müssen auch solche höhere Arznei-Bereithungen für stärker angesehen werden, indem es keinen andern Maßstab für den Grad dynamischer Kräftigkeit einer Arznei geben kann, als den Grad der Reaktion der Lebenskraft dagegen.

So viel aber geht aus seinen Versuchen (§.7.8.9.10.11.) hervor, daß, indem ein einziges, mit hoher Arzneikraft Entwicklung tingirtes, trockenes Streukügelchen in 13500 unarzneilichen Streukügelchen, mit denen es 5 Minuten geschüttelt worden, volle und gleiche Arzneikraft, als selbst es besitzt, zuwege bringt, ohne selbst Kraft-Abnahme zu erleiden, diese wunderbare Mittheilung durch Nähe und Berührung zu erfolgen und eine Art Infektion zu sein scheint, von großer Ähnlichkeit mit der Ansteckung gesunder Personen durch ein, ihnen nahe gebrachtes oder sie berührendes Kontagium (§.22.) - eine ganz neue, sinnreiche und wahrscheinliche Ansicht, die wir dem Herrn Grafen zuerst zu verdanken haben.

Diese Mittheilung oder Ansteckung scheint zu erfolgen durch die sich immerdar, wie durch Ausdünstung oder Emanation umher verbreitende Kraft solcher, selbst trockner Körper, dergleichen die Senfsamen großen, ehedem mit flüssiger Arznei von hoher Kraft-Entwickelung befeuchteten, in Gläschen verwahrten Streukügelchen sind, deren wir Kranke sich zum Riechen bedienen lassen, um sie zu heilen. Ein solches Streukügelchen z. B. von Staphisagria X, woran in 20 Jahren schon mehrere hundert Mal, nach Oeffnung der Gläschens, gegen eine gewisse, gleichartig wiederkommende Beschwerde gerochen worden war, besitzt noch diese Stunde gleich starke Arzneikraft, wie zuerst, was nicht sein könnte, wenn es nicht fortwährend seine Arzneikraft unerschöpflich aushauchte.

Die Vermuthung (§.14.) aber, daß solche mit Arznei von einem gewissen Grade von Kraft-Entwickelung tingirten, trocknen Kügelchen durch Schütteln oder Tragen in der Tasche sich in ihrem Behältnisse, wie weiter geschüttelte Arznei-Flüssigkeiten, höher potenziren und höhere Arzneikraft dadurch annehmen können, ist durch keine Thatsache erwiesen und scheint mir so lange unglaublich, bis sie durch triftige Erfahrungs-Beweise unterstützt worden ist.
Im Ganzen sind wir diesem sinnreichen und unermüdeten Forscher vielen Dank für gegenwärtige reichhaltige Abhandlung schuldig.

Köthen den 30. Mai 1832

 

Literatur:
1 Stapf´s Archiv XII, Heft 1 (1832)
2 André Saine: Folia homoeopathica, Ausgabe 16, S.27 12/2003